Um es kurz zu machen: Wein sollte idealerweise bei 10 bis 15°C gelagert werden, nicht wärmer. Wird der Wein wärmer, geht die Filigranität sehr schnell verloren, der Wein verliert an Eleganz, Finesse und Fruchtigkeit und ist einfach nicht mehr gut. Dieser Prozess ist irreversibel, d.h. er kann nicht durch erneutes Kühlen rückgängig gemacht werden.
Kälter ist kein Problem, solange es nicht so kalt wird, dass sich Eis bildet. Das ist ab etwa -7 °C der Fall, bei höherem Alkoholgehalt auch erst ab -10 °C. Wenn sich Eis bildet, braucht das Eis etwa 9 % mehr Volumen als der Wein – mit der Folge, dass das Weineis den Korken oder den Schraubverschluss wegdrückt und die Flasche undicht wird. Taut das Eis wieder auf, ist die Flasche offen und kann nicht mehr gelagert werden. Wein, der einmal zu Eis geworden ist, sollte nach dem Auftauen am besten sofort getrunken werden – er wird nicht mehr besser.
Von allen Kriterien, die bei der Lagerung von Wein zu beachten sind, ist die Temperatur das Wichtigste – aber warum ist das so?
Der Grund ist, und jetzt kommt ein wenig physikalische Biochemie ins Spiel, die temperaturabhängige Reaktionskinetik der vielen Stoffe, aus denen Wein von Natur aus besteht. Und das sind eine ganze Menge – weit über 1.000 zählt der Biochemiker. So viele? Das meiste ist Wasser, dann kommen Alkohol, Methanol und Glycerin als wichtigste Nebenprodukte der Gärung, dann die verschiedenen Säuren (Wein-, Apfel-, Milchsäuren an erster Stelle), die nicht vergorenen Restzucker Fructose und Glucose, die Mineralstoffe, vor allem Kalium, Calcium, Magnesium. Dann wird es spannend: Aromastoffe, höhere Alkohole, flüchtige Säuren, Aldehyde, Ketone, Flavonoide, Anthocyane und eine Vielzahl phenolischer Komponenten (oder Gerbstoffe) aller Art – im Milligramm- oder gar Nanogrammbereich, aber oft sind es gerade diese, welch für die sensorische Wahrnehmung besonders wichtig sind.
Tabelle: Zusammenstellung der wichtigsten Inhaltsstoffe von Weinen
Das alles sind natürliche Inhaltsstoffe, die entweder aus den Beeren oder dem Saft stammen (Primärinhaltsstoffe), die sich während der Gärung und des biologischen Säureabbaus gebildet haben (Sekundärinhaltsstoffe) oder die sich erst während der Alterung bilden (Tertiärinhaltsstoffe). Dieses komplexe Gemisch ist nicht stabil – vor allem die so empfindlichen, feinen Aromakomponenten, die höheren Alkohole, die natürlichen Ketone, Aldehyde und die zahlreichen phenolischen Komponenten reagieren miteinander und sorgen dafür, dass sich der Wein sensorisch, also in Aussehen, Geruch, Geschmack und Nachgeschmack, ständig verändert.
Wird es wärmer, reagieren die Inhaltsstoffe intensiver miteinander, wird es kälter, verlangsamen sich die Reaktionen. Dieser Sachverhalt ist gut erforscht und wird durch die so genannte Arrhenius-Gleichung beschrieben.
Abbildung: Die Arrhenius – Gleichung
Sie lautet etwa so: Ausgehend von 10 °C und einer Haltbarkeit von 12 Monaten kann man vereinfacht sagen, dass sich die Reaktionsgeschwindigkeit der Inhaltsstoffe untereinander mit jeder weiteren Erhöhung um 10 °C verdoppelt – und damit die Haltbarkeit halbiert. Bei 20 °C ist die Reaktionsgeschwindigkeit also doppelt so hoch wie bei 10 °C, die Haltbarkeit beträgt nur noch 6 Monate, bei 30 °C ist sie bereits viermal so hoch, die Haltbarkeit beträgt nur noch 3 Monate, bei 40 °C ist sie bereits achtmal so hoch, die Haltbarkeit beträgt nur noch 1,5 Monate. Hinzu kommt, dass mit steigender Temperatur Reaktionen ablaufen, die bei niedrigeren Temperaturen nicht stattfinden. Deshalb gehen bei Temperaturen über 20 °C gerade die so wohlschmeckenden Aromastoffe des Weines sehr schnell und leider auch unwiederbringlich verloren.
Deshalb: Lagern Sie Ihre Weine kühl, unter 15°C, damit Sie möglichst lange Freude an Ihren Weinen haben. Das kann im Kühlschrank, in einem Weinklimaschrank oder auch in einem speziellen Weinlager mit kontrollierter Temperatur sein.